Haltung
Der seit dem Jahr 2014 bestehende Ukraine-Konflikt (Russisch-Ukrainischer Krieg) mündete in Februar 2022 in dem Einmarsch Russlands im Bürgerkrieg - diese Bezeichnung entsprach auch der offiziellen russischen Sichtweise und russischer Propaganda, welche jegliche Beteiligung Russlands abstritt und auch dessen offene Intervention im Frühjahr 2022 lediglich als „militärische Spezialoperation“ bezeichnete.
Der Konflikt begann mit der Besetzung durch russische Streitkräfte ohne Hoheitszeichen, die sogenannten „grünen Männchen“, auf der Krim Ende Februar 2014. Dieser Einmarsch stellt einen eklatanten Bruch der europäischen Friedensordnung gemäß der Charta von Paris von November 1990 bzw. dem Budapester Memorandum von Dezember 1994 dar. Auch der russisch-ukrainische Freundschaftsvertrag von 1997 sollte die Souveränität der Ukraine in ihren Grenzen garantieren. Im Anschluss annektierte Russland die gesamte Halbinsel. Russland betrieb anti-ukrainische Agitation mit dem Ziel der Destabilisierung der Ukraine vor allem in Charkiw, Odessa, Mariupol, Luhansk und Donezksamt Umgebung. Während die Lage in Charkiw, Odessa und Mariupol wieder unter ukrainische Kontrolle kam, wurden in den Oblasten Donezk und Luhansk bewaffnete sogenannte Volksmilizen aktiv. Auch nach Einschätzung eines Kommandanten einer solchen Einheit gingen die kriegerischen Handlungen in der Ostukraine nicht von den Donbass-Bewohnern selbst, sondern wie auf der Krim von diesen russischen Sondertruppen sowie Söldnern aus. Russland unterstützte diese seit Beginn der Kampfhandlungen durch Lieferungen von schweren Waffen.
Aufgrund der vielfältigen Indizien dementierten auch die staatsnahen russischen Medien ab September 2014 nicht mehr die Anwesenheit russischer Soldaten, sondern verbreiteten das Narrativ, die Soldaten würden „in ihrer Freizeit“ dort kämpfen. Im Juni 2014 beklagte der UNHCHR in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten eine von den dortigen Milizen geschaffene Atmosphäre der Angst mit Tötungen, Folterungen und anderen Menschenrechtsverletzungen sowie den totalen Zusammenbruch von Recht und Ordnung und sprach von einer Terrorherrschaft der bewaffneten Gruppen über die Bevölkerung mit Freiheitsberaubungen, Entführungen, Folterungen und Exekutionen. Hunderttausende Menschen flüchteten aus den betroffenen Gebieten. Beim Abschuss des zivilen Malaysia-Airlines-Flugs 17 über den von den dortigen Milizen kontrollierten Gebieten der Oblast Donezk durch eine aus Russland stammende Flugabwehrrakete im Juli 2014 wurden 298 Zivilisten getötet, darunter 80 Kinder. Anfang August 2014 konnte die Ukraine Donezk und Luhansk zu großen Teilen blockieren. Es folgte eine erheblich verstärkte Unterstützung aus Russland, die es den prorussischen Kräften nicht nur erlaubte, Ende August die Belagerungsringe zu sprengen, sondern auch Gebiete im Süden einzunehmen, in welchen kaum Bestrebungen zur Abspaltung bekannt waren.
Anfang September 2014 trat mit dem Protokoll von Minsk („Minsk I“) ein brüchiger Waffenstillstand in Kraft, welcher von der OSZE überwacht werden sollte; dennoch starben in einem Zeitraum bis Mitte Dezember 1300 Bewaffnete und Zivilisten. Ende Januar 2015 machte die OSZE die Separatisten für ein weiteres Scheitern bei der Implementierung des Abkommens verantwortlich. Russland seinerseits verweigerte der OSZE die vereinbarte Überwachung der Grenze. Trotz des erneuerten Waffenstillstandsvertrages Minsk II im Februar 2015 verzeichneten die Beobachter der OSZE vor September 2015 keinen Tag, an dem der Waffenstillstand eingehalten wurde; ein Großteil der schweren Waffen war zwar zeitweilig von der Frontlinie abgezogen worden, deren Verbleib konnte von der OSZE jedoch nur auf ukrainischer Seite verfolgt werden. Ab dem 1. September 2015 wurde ein von der Kontaktgruppe nochmals vereinbarter Waffenstillstand mehrheitlich bis Anfang November eingehalten, danach nahmen die Kampfhandlungen wieder zu. Im Juni und Juli 2016 stiegen die Opferzahlen auf den höchsten Stand innerhalb eines Jahres. In der gesamten Geltungszeit dieses „vollständigen Waffenstillstands“ verdoppelte sich die Zahl der Getöteten bis Oktober 2016. Auch im weiteren Zeitraum bis Ende 2019 starben fast täglich Soldaten oder Zivilisten, dies auch durch Einsatz verbotener schwerer Waffen. Regelmäßig nahmen die Kämpfe im Spätherbst zu. Im Jahr 2018 wurden bis zu tausend Waffenstillstandsverletzungen pro Tag gezählt.] Ein weiterer Anlauf zu einer „vollständigen und umfassenden“ Waffenruhe führte nach Inkrafttreten am 27. Juli 2020 zu einer Reduktion der Waffenstillstandsverletzungen. Innerhalb zweier Wochen gab es nur noch 276 Waffenstillstandsverletzungen im Vergleich zu 8097 in den zwei Wochen zuvor. Ab August bis November 2020 lag der Monatsdurchschnitt konstant auf unter 5 Prozent des Vorjahres.
Ab Frühjahr 2021 wurden massive russische Truppenverbände in die Nähe der ukrainischen Grenze verlegt. Russlands Präsident Wladimir Putin ließ um den Jahreswechsel 2021/22 im Rahmen einer als Manöver angekündigten militärischen Operation weitere russische Truppen in die Nähe der Grenze verlegen – auch in Gebiete des benachbarten Belarus. Am 21. Februar 2022 erkannte Russland die staatliche Unabhängigkeit der von prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine kontrollierten und als „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk proklamierten Gebiete in der Oblast Donezk und der Oblast Luhansk an. Die folgende Invasion Russlands auf mehreren Fronten begann am 24. Februar 2022. Der von Russland geplante rasche Durchmarsch kam früh zum Erliegen, die Einkreisung Kiews kam nicht zustande. Bei den besetzten Gebieten um Donezk schafften es die Truppen nicht oder kaum über die seit 2015 bestehende Kontaktlinie hinaus. Nur an der russischen Grenze zwischen Luhansk und Charkiw drangen russische Truppen vor. Hingegen konnten die Truppen, welche von der Krim her vorgestoßen waren, zusammen mit amphibischen LandungenGebiete im Süden sichern und Mariupol blockieren.
Die russischen Truppen zogen sich ab Ende März nach schweren Verlusten aus dem Norden und Nordwesten der Ukraine zurück, um ihre Offensive ausschließlich auf den Osten des Landes zu konzentrieren. Bei ihrem Rückzug kamen schwere Kriegsverbrechen der russischen Truppen gegen Zivilisten in den zuvor besetzten Gebieten zum Vorschein.